Morgenstund
Offensichtlich ist das tolle Frühstück, welches wir gestern im Hampton Inn & Suites in Ridgecrest genossen haben bei dieser Hotelkette der Standard. Hier gibt’s genau dasselbe und es schmeckt wunderbar.
Ich entdecke wieder mal ein Schild, wie es nur den Amis in den Sinn kommen kann. Derselbe Text ist in jedem Restaurant in Kalifornien irgendwo zu lesen, aber meist relativ gut getarnt.
Für Englischmuffel, hier steht in etwa: WARNUNG: Chemikalien, von denen der Staat Kalifornien weiss, dass sie Krebs, Geburtsdefekte oder andere Reproduktionskrankheiten verursachen können, können in Essen und Getränken die hier verkauft oder serviert werden vorhanden sein.
So gewarnt packen wir unsere Snacks in’s Auto und fahren los in Richtung Sequoia National Park.
Hoschis
Die Strasse führt in die Berge und gestaltet sich mal wieder schön kurvig. Ein Junior Ranger Badge vom Sequoia National Park sollte eigentlich machbar sein. Im Visitor-Center gleich beim Parkeingang übergibt uns die Rangerin die Unterlagen. Ausserdem erklärt sie, dass vor einigen Tagen in der Nähe des Giant Forest Museum ein Bär gesichtet worden sei. Falls wir wandern wollten, sollten wir entsprechend die Augen offen halten.
Es wäre herrlich, hier hoch zu fahren, wenn nicht irgendwelche Leute mit ihrem gesamten Hausrat ebenfalls die Strecke zurücklegen würden. Damit nicht genug, das Tempo fällt auf unter 20 mph (32 km/h).
Es wären zwar alle paar Meter Ausfahrtbuchten vorhanden, um schnelleren Verkehr vorzulassen, aber die werden tapfer ignoriert. So schleichen wir eine gefühlte Ewigkeit diesen Hoschis hinterher und fragen uns, wie die jemals eine Autoprüfung bestanden haben können.
Generell fahren die Amis enorm schlecht Auto. Ich selber bezeichne mich nicht als überdurchschnittlich guten Autofahrer – ich bin zwar relativ geübt auf Bergstrecken und kann mit Eis & Schnee gut umgehen, beim Einparken bin ich hingegen eine absolute Nuss und Rückwärts-Fahren kann ich gar nicht. Im Vergleich zu dem Amis bin ich allerdings ein Auto-Gott. Und vermutlich jeder noch so übel fahrende Europäer ebenfalls. Aufgrund dieser Tatsache leide ich Höllenqualen, bis wir endlich beim General Sherman Tree Parkplatz ankommen.
Grosse Bäume
Wir entschliessen uns, statt mit dem Gratis-Shuttle zu fahren, den kurzen Spazierweg zum Sherman Tree hinunter zu wandern. Ein bisschen Bewegung schadet nach der langen Autofahrt auf keinen Fall, ausserdem ist es hier im Gegensatz zum Valley angenehm kühl und die Luft duftet nach Wald und Erde.
Die Mammutbäume sind schon fantastisch gross. Auf Bildern kann die Grösse nur erahnt werden. Wir bleiben immer wieder stehen und werfen die Köpfe in den Nacken, wie wenn wir in New York die Wolkenkratzer bestaunen würden. Es gibt viele Felsen und die Kinder klettern immer mal wieder irgendwo hoch.
Am Sherman Tree angekommen, beobachten wir amüsiert eine Gruppe Latinos, die verzweifelt versucht, die ganze Grossfamilie vor dem Baum auf ein Foto zu kriegen. Immer wieder wackeln ältere Familienmitglieder oder Kinder aus dem Bild, weil sie glauben, die Aufnahme sei gemacht. Nach 5 Minuten schaffen sie’s dann aber doch und geben den Baum für andere Touristen frei.
Ein Foto vor dem „Welcome to fabulous Las Vegas“ Schild musste ja nicht unbedingt sein, aber vor dem grössten Baum der Welt, da wollen die Kinder schon ein Foto haben.
Eigentlich wollten wir wieder zum Parkplatz hochwandern, aber just in diesem Augenblick fährt Shuttle in dieser Richtung vor. Wir ergeben uns dem inneren Schweinehund und lassen uns zum Auto kutschieren.
Inzwischen verspüren wir alle etwas Hunger, aber auf dem Parkplatz wollen wir nicht essen. Beim Giant Forest Museum waren vorhin schon sehr viele Leute, also entscheiden wir uns, zur Wolverton Rest Area hoch zu fahren. Dort sind wir fast alleine und haben die ganze Rest-Area für uns. Die Geschichte mit dem Bären will mir nicht so recht aus dem Kopf und ich beobachte die ganze Zeit den Wald. Im Zoo sind Bären ja süss, aber ich muss nicht unbedingt einem in freier Wildbahn begegnen…
Nach dem Essen kümmern wir uns um die Aufgaben für den Ranger Badge. Die lassen sich netterweise alle vor Ort erledigen. Die Kinder lernen wieder mal eine Menge über den Park, so z.B. dass die dicke Rinde der Mammutbäume vor Feuer und Fäule schützt, dass die Bäume mehr als 2000 Jahre alt werden und dass sie zwar die grösste Masse haben, aber nicht die höchsten sind.
Bär
Gerüstet mit den Ausgefüllten Junior-Ranger-Unterlagen fahren wir zum Giant Forest Museum runter. Der Parkplatz ist fast voll, nur mit viel Glück erwischen wir einen Platz am Hügel gegenüber. Wir wollen einen der vielen Rundwege durch den Riesenwald (Giant Forest) gehen, vorher holen wir uns aber den Junior Ranger Badge. Entgegen der bisherigen Tradition müssen die Kinder dieses Mal nicht schwören. Anna will schon aufatmen, denn das laute vorsagen des Schwurs ist ihr die letzten beiden Male etwas peinlich gewesen. Die Rangerin klatscht stattdessen laut in die Hände und schreit durchs ganze Museum, man solle bitte applaudieren, diese beiden Kinder hätten sich den Badge verdient. Und ja – alle gucken, alle klatschen, Fräulein Tochter hätte wohl doch lieber einen Schwur geleistet…
Einer der kürzeren Trails fängt beim Parkplatz an, wo unser Auto steht, also wechseln wir die Strassenseite und gehen den Hügel zum Auto hoch.
Während wir in Richtung Trailhead spazieren, rennt eine Gruppe Amis auf uns zu. Sie gestikulieren wild umher und schreien die ganze Zeit „A bear, a bear!“. Wir sehen zwar keinen Bären, dort wo die Gruppe herkommt, aber vorsichtshalber gehen wir mal in die gleiche Richtung, immer mit Blick dahin, wo sie hergekommen sind.
Plötzlich wird uns klar: Die rennen nicht vor einem Bären davon, nein, die rennen auf ihn zu! Auf der anderen Seite der Strasse, beim Musemu entdecken wir einen Schwarzbären am herumstreunen.
Nach kurzer Zeit taucht eine Gruppe Ranger auf, die das Tier verjagt.
Nein, ich bin nicht da rüber für das Foto. Aber in diesem Augenblick finde ich das 30-Fach-Zoom meiner neuen Kamera einfach nur toll.
Ich bin etwas verwundert ab so viel Naivität gegenüber einem wilden Tier. Die Leute rennen alle wie von der Tarantel gestochen in die Richtung, wo ein Raubtier herumläuft, statt sich in sicherer Entfernung aufzuhalten. Kein Wunder, müssen die Behörden für jeden Schwachsinn Schilder aufstellen (siehe oben).
Wir freuen uns natürlich trotzdem, zum ersten Mal einen Bären in freier Wildbahn gesehen zu haben. Aber nach Wandern ist mir plötzlich nicht mehr. Wir haben ja genügend grosse Bäume gesehen und wenn wir in’s Tal hinunter wieder die Kollegen vom Morgen vor uns haben, dauert die Fahrt eine ganze Weile…
Noch ein letztes Foto, wir hüpfen in die Karre und fahren zurück nach Visalia. Wir sind relativ früh dran und so haben wir den Berg hinunter fast keinen Verkehr. Es ist herrlich – wir schaffen die Strecke in einem Drittel der Zeit, die wir zum hochfahren benötigt haben.
Vor uns tauchen die bekannten Plantagen auf, wir sind wieder im Central Valley.
Entspannter Abend
Im Hotel entspannen wir uns erst mal im Pool. Obwohl Visalia sehr nahe am Sequioa National Park gelegen ist, haben wir sehr viel Zeit im Auto verbracht. Wir sind froh, einfach nur noch auf den Hotelbetten herumhängen zu können und etwas an den Tagebüchern zu arbeiten.
Gegen Abend fahren wir in’s Einkaufszentrum und nehmen im Food Court unser Abendessen ein. Ein kleiner Spielplatz beim Food Court hat es unseren Kindern angetan – zwar ist der Spielplatz eher für Kleinkinder, aber man kann die vorhandenen Spielgeräte durchaus zweckentfremden.
Nach der Rückfahrt ins Hotel schauen wir nach langer Zeit mal wieder etwas fern. Die Kinder verstehen zwar praktisch nichts, sind aber trotzdem sehr interessiert am Programm. Nickelodeon bringt Spongebob – den versteht man auch ohne Sprache.